Festgesetzt in Lilongwe – Frust

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gewohnte Bilder einer Reise?

gewohnte Bilder einer Reise?

08.05.2010

Irgendwie geht’s immer weiter, das war und ist unser Motto. In diesem Moment weiß ich aber nicht mehr wie. Wir oder zumindest Grisu steckt fest in Lilongwe. Nachdem ich vergeblich versucht hatte eine Werkstatt aufzutreiben, die unseren Motor zur weiteren Demontage aus dem Motorraum herausheben und abholen könnte, habe ich in den vergangenen Tagen allen Mut zusammen genommen und den Motor soweit es geht in unserem Camp im Motorraum zerlegt. Nun ist nicht mehr viel übrig und mit ein paar Helfern wird es möglich sein den Motorblock herauszuheben. Ob das überhaupt noch sinnvoll ist, ist aber fraglich. Mir war und ist immer noch unerklärlich, wie der als generalüberholt erstandene Motor nach nicht einmal 20.000 Kilometer derartige Schäden davontragen kann. Ich bin mir sicher, dass ein Motor nicht viel mehr gepflegt und gehegt werden kann, als wir es in den letzten Monaten getan haben. Nun muss ich feststellen, dass entgegen meiner Erwartung die Ersatzteillage sogar bei den Spezialisten in Deutschland sehr schlecht aussieht. Zudem ist nach wie vor ungeklärt, woraus der gigantische Ölverbrauch resultiert. Keines der Triebwerksteile, abgesehen von einzelnen Kurbelwellen- und Pleuellagern, zeigt nennenswerten Verschleiß.
Es sieht so aus, als wenn hier auf dem lokalen Markt in Lilongwe keine Lager für den Motor zu bekommen sind. Ich hatte es auch eigentlich nicht erwartet. Zu meinem Erschrecken musste ich aber heute feststellen, dass in diesen Motor verschiedene Größen von Lagerschalen eingebaut sind. Etwas was ich mir zuvor nicht hätte vorstellen können. Zumindest sind das zentrale Passlager und das zweite bislang demontierte Kurbelwellenlager völlig unterschiedlich. Nach meinen Unterlagen darf das nicht sein, aber der Motortyp wurde angeblich zu einem späteren Zeitpunkt etwas modifiziert.

Ganz egal, wie es aussieht gibt es hier und evtl. auch in Deutschland keine Ersatzteile. Ersatzmotoren sind ggf. erhältlich, aber zu Preisen, die gegen Ende unserer Reise das Budget sprengen würden. Es sind noch rund 2500 Kilometer bis nach Windhoek. Wir haben ohnehin schon überlegt, dort die Reise zu beenden, obwohl ich es gern bis Südafrika geschafft hätte. Aber vielleicht ist es auch Zeit, die Sache gut sein zu lassen. Zwei Motorschäden in weniger als 20.000 Kilometern könnte man ja auch als Zeichen sehen. Ersatzteiltechnisch war ich auf nahezu alles vorbereitet, aber nicht darauf.

Zu allem Frust kommt dazu, dass meine Eltern sich gerade entschieden hatten, uns in Zambia an den Victoriafällen zu treffen und ein Stück gemeinsam zu reisen. Es ist alles gebucht. Man kann sich vielleicht vorstellen, wie die ganze Familie sich darauf gefreut hat. Zur Zeit sieht es nicht danach aus, dass wir es mit Grisu schaffen. Natürlich könnten wir auf anderem Wege ohne Grisu dorthin kommen, aber aus einer gemeinsamen Reise wird dann trotzdem nichts. Eine Familie packt man nicht eben noch in ein Auto als zusätliche Passagiere. Was würden wir mit Grisu machen…? Ein Abtransport von hier zum nächsten Verschiffungshafen, würde voraussichtlich ähnlich viel kosten, wie die Verschiffung zurück nach Hause. Und das ist schon ein Vermögen. Es gibt zwar immer noch schlimmere Orte an denen man steckenbleiben kann – man stelle sich nur vor wir wären unserem ursprünglich geplanten Weg von Tansania in den Norden Mocambiques gefolgt und dort liegen geblieben. Dennoch ist Malawi bzgl. Ersatzteil- und Werkstattpreisen so ziemlich Afrikas Obergrenze. In großen Werkstätten werden Stundensätze wie in Deutschland verlangt…

Zum ersten Mal auf der Reise, bin ich kurz davor aufzugeben. Vielleicht nur eine vorübergehende Stimmung. Vielleicht passiert uns wieder so ein kleines Wunder. Vielleicht ist es aber auch einfach genug. Bis Montag werde ich versuchen die Kurbelwelle noch auszubauen um sie vernünftig vermessen lassen zu können. Vielleicht sind ja die Lagerzapfen, doch richtig so. Und vielleicht finden die Experten in Ahlfeld doch noch kurzfristig die passenden Lager… so viele „Vielleichts“. Nach Motoren werden wir auch noch schauen, aber was machen wir mit dem alten… Grisu würde dann nicht mehr Original sein. Angeblich passen neben den Nachfolgemodellen unseres Motors auch TATA-Motoren (Mercedes-Motoren, die in Lizenz gebaut wurden)… Mancher glaubt sogar ein Toyota-HZ-Motor könnte passen…

Doch selbst in solchen Zeiten passieren noch kleine Glücksmomente mit denen keiner rechnet. Gestern wollte ich die Kolben ausbauen und musste entsetzt feststellen, das die Pleuellagerdeckel mit Schrauben und Muttern befestigt waren, die vor 50 Jahren definitiv nicht existierten. Anstelle von Sechskantschrauben waren es Zwölfkant. Natürlich war meim mitgebrachtes Werkzeugset darauf nicht ausgerichtet. Aber vor einigen Jahren, als ich meine letzte Grisu-Werkstatt umgezogen hatte, hatte ich Reste eines Steckschlüsselsatz eines Vormieters gefunden. Ich dachte diese Reste hätte ich mit den meisten Werkstattutensilien eingelagert. Aber zufällig lag genau die richtige Größe fast zu oberst im Krimskramsfach meiner Werkzeugkiste. Leider hielt die Freude nicht lang, da der nötige Adapter nach der dritten Schraube nachgab. Mit geliehenem Schlüssel konnte ich den Arbeitsschritt dann doch noch beenden, und heute habe ich auf den Wühltischen des hiesigen „Schwarzmarktes“ die nötigen Ersatzschlüssel gefunden. Leider nur die und keine passenden Lager… Unter anderen Umständen wäre der Besuch des Marktes ein Artikel für sich wert gewesen. Unglaublich wie dicht an dicht man kleine Holzverschläge bauen kann zwischen denen sich dann die Kunden quetschen und dennoch finden sich die Einheimischen zurecht. Und es gibt erstaunlich viel.

Für die Kinder ist es glücklicherweise nicht so schlimm. Klar bekommen sie mit, dass Grisu kaputt ist – heute wurde er mit vereinten Kräften in die Sonne geschoben, denn die Bordbatterien schaffen zwar 10 Tage ohne Sonne ohne Probleme, aber man muss es ja nicht ausreizen – aber das Mabuya Camp bietet viel Abwechslung. Immer wieder kommen andere Reisende vorbei, es gibt einen schönen Pool und die Besitzer haben einen kleinen Sohn, mit dem die Kinder natürlich sehr gern spielen. Dennoch wird ihnen das hier auf Dauer bestimmt auch etwas langweilig und noch wissen Sie auch nicht, dass es sehr unsicher ist, ob wir Ihre Großeltern treffen werden.

Zu allem Überfluss haben wir uns heute morgen von Chris verabschiedet. Unsere Reiserouten – sofern wir noch eine haben – werden sich voraussichtlich nicht mehr kreuzen und so war es zwar bei weitem nicht der erste aber wahrscheinlich der letzte Abschied nachdem wir einen großen Teil der vergangen vier bis fünf Monate gemeinsam verbracht haben.

Bei all der Trübsal ist eins aufmunternd: Die Sonne scheint seit einer Woche und es sieht danach aus, als hätten wir die Regenzeit nun endlich hinter uns gelassen…

Eigentlich wollten wir diese Tage gemütlich am Lake Malawi geniessen…

Reste des zentralen Kurbelwellenpasslagers

Reste des zentralen Kurbelwellenpasslagers

9 Comments

  1. Comment by Annette:

    Hallo Ihr Lieben,

    das hört sich nicht gut an, aber ich bin sicher Ihr findet noch Hilfe!!!
    Dies habt Ihr ja in den vergangen Monaten immer erlebt. Warum nicht jetzt!
    Die Daumen werden gedrückt und nach oben ein Hilferuf gestartet.
    Marcel. Du hast nie den Mut verloren, auch jetzt nicht!
    Wenn ich zaubern könnte weist Du was ich zaubern würde?

    Liebe Grüße, Johanna, Julia und Ronja!!!

    Viel Glück und Segen

    Eure
    Annette

  2. Comment by Maria Ketteler:

    Lieber Marcel,

    da ich über sms keine Antwort bekomme hier nochmal schriftlich:
    1. Bitte exacte Diagnose der Ursache des Ölverbrauchs mitteilen
    2. Bitte Liste der notwendigen Teile für provisorische Reparatur
    3. Hr. Lepstück wird mit Dir Kontakt aufzunehmen versuchen, und zwar über diesen Kanal. Das ist der einzige verläßliche Motorenspezialist, dem ich vertraue. Bitte diskutiert mit ihm.
    4. Ich kann Euch einen Motor schenken, der hier steht. Er stammt aus einem LA 311, der in Osnabrück die Strassenbahnoberleitungen warten sollte (Hebebühne etc). Vielleicht kann Dein Vater die Abholung, Überprüfung auf Prüfstand und ggf. den Transport mithilfe des ADAC organisieren.
    Mehr kann ich leider nicht tun.
    Alles Liebe an Euch alle, Papi

  3. Comment by Michael:

    Hallo Wilderich,
    habe deine Nachricht nochmal per email nach Afrika weitergeleitet. Hoffe, ihr kommt so in Kontakt. Ansonsten gibt es zwischen Marcel und meinen Eltern gelegentlich abends Kontakt über skype. ein dritter weg geht eventuell über facebook.
    Vielen Dank für deinen Einsatz, ich drücke fest die Daumen.
    Micha, der Admin

  4. Comment by Paula:

    oh ihr Lieben, das ist ja völlig an mir vorbeigegangen, ich drücke die Daumen!!! Lasst Euch nicht die Laune verderben (auch wenn ich’s verstehen kann), als echte Abenteurer könnt ihr aus allem was machen! Dickes Bussi

  5. Comment by Nils und Silke:

    Ihr lieben Afrikaner,
    Oh wei oh wei. Soviel Pech fordert sogar eure bisher nur stillen „Verfolger“ und Bewunderer zu einem Kommentar heraus. Leider sind wir technisch völlig untalentiert und Nils Alfo Romeo-Motor würde wahrscheinlich ja auch nicht helfen (total reparaturanfällig die ollen Italiener 😉 .
    So bleibt uns nur zu sagen, dass der Kölner an sich natürlich immer noch an das gute alte kölsche Grundgesetz „Et hätt noch imma jut jejange“ glaubt und falls es doch anders kommen sollte und ihr früher zurück seid als geplant, freut sich besonders Nils schon auf ein sehr laut gerufenes „Niiiiiiiiiiieeeeeeeeeels“ von seiner „Zweitfrau“. Haltet durch!!! Eure Kölner

  6. Comment by Nils und Silke:

    Hi Ihr vier,

    Haben gerade von Freunden erfahren, dass noch ein Feuerwehroldtimer in eurer „Nähe“ unterwegs ist. Die Jungs aus Norddeutschland sind auf dem Weg zur Fußball WM. Vielleicht können Sie euch mit Ersatzteilen helfen???? Hier der Link:

    http://www.tagesschau.de/ausland/afrikaafrika110.html oder
    http://www.downtocapetown.blogspot.com/

    Alles LIebe, Nils und SIlke

  7. Comment by Michael:

    Hallo Nils und Silke,
    habe eure links mal gleich auf Facebook gepostet. Lief übrigens etwas überarbeitet heute in der aktuellen Stunde noch mal.

  8. Comment by Rolf Lepstück:

    Liebe Afrikafahrer,

    eure Adresse habe ich von Herrn von Ketteler. Von den Problemen mit dem Motor habe ich gehört, jedoch nichts genaues. Ich melde mich, weil Herr von Ketteler mich bat, mich der „Motorsache“ anzunehmen. Ich bin vor vielen Jahren selber durch Afrika gereist, mit Wüstenquerung etc. Auch habe ich Erfahrung mit Reparaturen „im Sand“ (Togo) und Motorenwechsel auf der Piste. Hier nun meine Einschätzung: Unterwegs kann man kaum kompetente Hilfe erwarten, weshalb diffiziele Reparaturen meist nicht gelingen. Mein Tipp: einen gebrauchten Motor besorgen, welcher in lauffähigem guten Zustand sich befindet und wie er ist, eingebaut werden kann. Eine Reparatur würde ich nicht versuchen, jedenfalls nicht, wenn man mit genauen Bearbeitungen auf Andere angewiesen ist. Vielleicht können Sie mir einmal schildern, welche Probleme genau existieren? Kopf hoch! Rolf Lepstück

  9. Comment by Boes:

    Ihr lieben, wir fragen uns wie inzwischen der stand der Dinge bei euch ist? Hoffentlich sied ihr guten mutes und habt vielleicht schon gute ideen oder loesungswege aufgetan? Leider koennen wir abgesehen von der Kerze nicht viel fur euch tun. Die einzige Hilfe koennte euch vielleicht ein Kumpel von Clemens sein. Der ist gerade deutscher honorarkonsul von malawi geworden ist. Er war gerade noch unten und hat ein paar Kontakte geknuepft. Moeglicher Weise koennte er zb helfen buerokratische Wege etc zu ebenen? Wenn ihr wollt, dann stellen wir einen Kontakt zw euch her. Umarmung und gedrueckte Daumen, eure Clemens u ida.

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