Große Pannen und kleine Wunder

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Gruppenbild mit Drache

Gruppenbild mit Drache

30.04.-01.05.

„…dieser Motor ist einfach genial. Er läuft so ruhig und rund. Einfach unbeschreiblich….“ (Djerba, Tunesien 13.11.2009)

„… Der Motorölstand war mal wieder erschreckend. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit bei gleicher Drehzahl (immer nur 2. und 3. Gang) war der Ölverbrauch noch einmal richtig gestiegen.“(Loyangalani, Kenia, 12.02.2010)

„… Nun hoffen wir, dass der verbleibende Rauch aus dem Auspuff auf im Auspuff befindliches Öl zurückzuführen ist und warten gespannt auf das Ergebnis der nächsten Ölstandsprüfung…“ (Dar Es Salaam, Tansania, 26.03.2010)

„…Was auch immer nun der Ölverbrauch macht. Es wird zukünftig akzeptiert.“ (Matema Beach, Tansania, 26.04.2010)

Unser Motor hat uns in den vergangenen Wochen und Monaten schon viele Wechselbäder der Gefühle erleben lassen. Und gern hätte ich mich an meinen Vorsatz von letzter Woche gehalten.

Fritz hinter uns

Fritz hinter uns

Mit böser Vorahnung hatte ich mich im ‚Kande Beach Camp‘ noch mit Nummern von Abschleppdiensten und Tipps für Werkstätten in Lilongwe versorgt. Ich hatte schon befürchtet, dass es in der malawischen Hauptstadt nicht ohne Generalüberholung des Motors weiter gehen würde. Ein Ölverbrauch von zeitweise 13 Litern auf 100 Kilometern (nicht 1000) ist nicht mehr tragbar und auch nicht zu finanzieren. Zudem sprachen die Anzeichen dafür, dass der Motor eventuell schon den Weg nach Lilongwe nicht mehr packen sollte, denn der Öldruck war auf den letzten Metern zum Kande Beach Camp noch einmal erheblich abgefallen. Vorsorglich hatte ich sogar die großen Overlander-Trucks im Camp gefragt, ob sie uns eventuell abschleppen könnten. Aber sie dürfen es aufgrund von Versicherungsbestimmungen nicht und würden ihren Job riskieren.

Als wir gestern morgen mit Fritz, den wir mit seinem Auto letztmals in Nairobi getroffen hatten und der uns tagszuvor in Mzuzu wieder über den Weg gelaufen war, aufbrachen, hielt sich der Öldruck zunächst wacker. Wir rollten gute 150 Kilometer ohne Probleme dahin… Dann entschied sich scheinbar eines der Kurbelwellenlager nachzugeben. Die Kurbelwelle liess sich im Motorblock, vor und zurück bewegen.

Gestrandet an der Tanke

Gestrandet an der Tanke

Um nicht mitten auf der Fahrbahn stehen zu bleiben, schleppte uns Fritz einige 100 Meter auf eine nicht fertiggestellte Tankstelle. Ich machte mich sofort daran, die empfohlenen Notfallnummern auszuprobieren. Doch bald stellte sich Ernüchterung ein: Keine der erreichten Abschleppfirmen wollte einen Schlepper schicken, bzw. hatte das benötigte Gerät. Dabei waren wir nur noch 188 Kilometer von Lilongwe entfernt. Ich hielt LKW nach LKW an, doch keiner hatte eine Abschleppstange. (Unsere war uns schon vor langer Zeit abhanden gekommen.) Kein Wunder: Hier ist es üblich, dass der Schaden entweder vor Ort auf der Straße repariert wird, auch wenn das für den Fahrer manchmal bedeutet, wochenlang auf der Straße zu übernachten, oder das Fahrzeug, wird an Ort und Stelle verschrottet. Beides wollten wir uns nicht antun.

Einer der angehaltenen LKWs konnte mir eine Nummer eines südafrikanischen Mechanikers geben, der in der Nähe eine Werkstatt hat. Er kam sofort heraus, konnte aber auch nichts ausrichten. Doch er vermittelte den Kontakt zu seinem Schwiegervater, der eine Transportfirma mit mehreren LKWs betreibt. Für einen astronomischen Preis (123000 Malawi Kwache > 600 Euro), wäre er bereit für den nächsten Tag einen LKW zu senden. Mangels Alternativen willigten wir gegen Abend ein, denn selbst die Besitzer des Overlander Treffpunktes in Lilongwe machten uns wenig Hoffnung, dass wir jemanden finden würden, der uns abschleppen würde. Am nächsten Morgen wollte er sich melden und die Verabredung bestätigen sowie die Abholuhrzeit klar machen.

Julia organisiert Tauziehen...

Julia organisiert Tauziehen...

Uns drängt ein wenig die Zeit. In vier Wochen möchten wir an den Victoria Fällen sein. Meine Eltern wollen uns treffen und es ist schon alles gebucht. Da all das in Frage steht, war die Stimmung entsprechend am Tiefpunkt.

Der Besitzer der Tankstelle, die ja noch keine ist, hatte zu unserer „Sicherheit“ noch einen zusätzlichen Nachtwächter organisiert. Vollkommen überflüssig aber trotzdem nett. Natürlich waren wir den ganzen Tag umgeben von zahlreichen Kindern und neugierigen Erwachsenen. Aber alle waren sehr freundlich. Julia nutzte die Gelegenheit und versuchte der Kinderschar neue Spiele beizubringen. Vom Ballspielen mit Namen merken über Frisby werfen bis zum Tauziehen. Und alle machten fleißig mit. Währenddessen marterte ich mir das Hirn. Leider war auch keiner, der uns bekannten Reisenden mit einem großen Fahrzeug in die gleiche Richtung hinter uns unterwegs und hätte uns eventuell in ein paar Tagen mitnehmen können. So schlief ich ein, mit dem Wunsch auf ein kleines Wunder, dass morgen früh ein solcher Reisender vorbeikäme, bevor wir den zugesagten Anruf unseres Wucherers bekämen.

keine Angst vor großen Aufgaben

keine Angst vor großen Aufgaben

Wir saßen gerade beim Frühstück, da hielt zwar kein Reisender, aber ein kleiner lokaler LKW. Er würde uns nach Lilongwe schleppen. Ich konnte es kaum glauben, denn der LKW war fast leer und wog so vielleicht ein Drittel von Grisu. In 100 Kilometern könnte er auch eine Abschleppstange organisieren, um die Bergstrecke nach Lilongwe zu schaffen. – Nach kurzer Verhandlung waren wir uns einig: Für nicht einmal ein Viertel des Preises unseres Wucherers fährt er nach Salima, holt die Abschleppstange, kommt zurück um uns dann den ganzen Weg mit Abschleppstange zu schleppen (ohne laufenden Motor, hat die Bremse keine Luftdruckunterstützung, und das Auto ist kaum bremsbar). Das Risiko auf dem Stück nach Salima, wegen einer Bremsung unserem Abschlepper ins Heck zu donnern, war mir dann doch zu groß.
Jeder, den ich zuvor gesprochen hatte, hatte die Wahrscheinlichkeit, einen Malawi mit Abschleppstange hier zu finden, gleich Null eingeschätzt.

Kenia to SA 027

banges Warten

Ein paar bange Stunden vergingen, nachdem wir das Angebot des Vortages abgesagt hatten und wir nun auf die Rückkehr unseres voraussichtlichen Abschleppers warteten. Es erschien, und zwar früher als erwartet. Manchmal passieren kleine Wunder halt genau dann, wenn man sie braucht…

Alles schien perfekt, aber dann ergab sich doch eine unerwartete Schwierigkeit: Unser Schleppfahrzeug hatte keine Anhängerkupplung oder auch nur einen Haken an dem die Abschleppstange hätte besfestigt werden können.

Abschleppkunst (Bondage)

Abschleppkunst

Doch es gibt in Afrika nichts, was man nicht mit Stricken befestigen könnte. So wurde die Abschleppstange an der sechs Tonnen Grisu hingen kurzerhand an das Heck des kleinen LKWs geknotet. Mir wurde schon übel bei dem Gedanken, dass ich nun die nächsten Stunden hilflos auf diesen Knotenstrick schauen müsse in der Hoffnung dass er hält.-

Im Flachland ging alles gut. Problemlos und zügig rollten wir die ersten 100 Kilometer, bis in Salima der Anstieg begann von rund 500 Meter Höhe auf 1200 Meter Passhöhe kurz vor Lilongwe. Ich tröstete mich: Es waren ja nur gut 80 Kilometer. Doch schon kurz nachdem der erste Anstieg begonnen hatte und unser Schlepper mit gerade noch 12 Km/h den Berg hinauf kroch, riss das Seil. Glücklicherweise konnten wir bei dieser Geschwindigkeit noch aus eigener Kraft bremsen. Noch hatte unser Druckluftkessel genug Druck um die Bremse zu unterstützen.

Es wurde neu geknotet, aber bei jedem Schaltvorgang wurde das Seil aufs neue mit sechs Tonnen belastet. Sichtlich zu viel für den Knoten und das Seil, wie ich nervös beobachten konnte. Ich hatte die ganze Zeit gehörigen Respekt, dass das Seil auf einer Bergab-Passage reissen würde. Wahrscheinlich waren die Gedanken kontraproduktiv, denn natürlich passierte es so. Doch auch diesmal reichte unsere eigene Bremskraft noch.

Passagiere haben überall Platz

Passagiere haben überall Platz

Wir versuchten gemeinsam mit meinem Abschleppmaterial die Konstruktion zu verbessern, aber es gab keine Stelle an der man einen Metallschekel hätte befestigen können. So blieb wieder nur das Knoten. Dafür wurde ein zusätzliches Seil gefunden. Und es hielt. Für die knapp 90 Kilometer Bergstrecke brauchten wir gute sechs Stunden. Aber schließlich erreichten wir gegen 20 Uhr Lilongwe und das empfohlene Camp.

Da am nächsten Tag mal wieder Sonntag war, blieb auch nichts anderes als zu relaxen. Es wird noch genug Stress geben in den nächsten Tagen.

4 Comments

  1. Comment by Lisa Noller:

    Ja, Wunder gibt es immer wieder und so hoffen wir auf das Nächste, nämlich das es Euch gelingen wird uns an den Victoriafällen zu treffen, mit Grisu…! Alle Fans fordere ich hiermit auf uns die daumen zu drücken. Danke!!!

  2. Comment by Annette:

    Hallo Ihr Lieben,

    Ihr seid ja wirklich von unsichtbaren Helfern umgeben. Bestimmt schafft Ihr es mit Grisu zu den Viktoriafällen.
    Das schaffen die Helfer auch noch.Spannend, spannend!!!
    Grüße Euch ganz herzlich und begeleite Euch weiterhin!!!

    Eure
    Annette

  3. Comment by Benedikt:

    Hallo nach Afrika!

    Die Daumen sind gedrückt!

    Liebe Grüße
    Benedikt

  4. Comment by Michael:

    Drück ganz fest…. Daumen und euch.
    Micha

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  1. Nachgereicht: Am Tag als Grisu nicht mehr wollte | four4africa-blog