Schraubertagebuch

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24.-26.03.2010

Nachdem sich unser Gummifluch – toi, toi, toi – nun seit langem verflüchtigt hatte, hatte sich unser Ölproblem zum permanten Begleiter gemausert. Ich muss sagen, die Gummiprobleme waren mir lieber. Ärgerlich, dass damit die geplante Safari mit unseren Freunden ins Wasser gefallen ist. Grisu verbraucht mehr als 15 Liter Öl auf 1000 Kilometern, Tendenz steigend. Das Risiko auf halber Strecke zu stranden, mit Passagieren, die nur 10 Tage Zeit haben und einen Flieger bekommen müssen, war dann doch zu groß. Aber Ostern stand vor der Tür und außerdem lag der Verdacht nahe, dass ohne Import von Ersatzteilen diesmal nichts zu machen sei. Kurzerhand haben wir zähneknirschend eine Safari für Freunde und meine drei Prinzessinen arrangiert, während ich mich – mal wieder – in den Motor vertiefen konnte. Die Idee war, nach der Diagnose und ggf. Ersatzteilbestellung zumindest gemeinsam Traumurlaub auf Sansibar zu machen.

Werkstattgelände

Werkstattgelände

Entsprechend motiviert ging ich am Mittwoch ans Werk. Ich hatte einen kleinen Geheimtipp bekommen: Frank, ein deutscher Einwanderer, betreibt eine kleine Werkstatt irgendwo in den Wirren Dar’s. Dank seiner präzisen Beschreibung, fand ich die Werkstatt schnell. Wer allerdings eine Werkstatt nach deutschen Maßstäben erwartet, schaut etwas in die Röhre. Anstelle einer Halle mit Hebebühnen findet man ein Wellblechdach mit vielen OpenAir-Stellplätzen und etlichen abgestellten Fahrzeugen; darunter  sogar zwei etwas mitgenommene alte Hanomags (das ließ auf einen Oldieliebhaber schließen). Aber deutsche Genauigkeit und afrikanische Improvisation ergänzen sich hier hervorragend und bei der schwülen Hitze in Dar, würde man es in einer Halle ohnehin kaum aushalten können.

Unter Franks fachkundigen Augen wurde der Motor Schritt für Schritt wieder von mir zerlegt. Mittlerweile – kaum zu glauben – hatte ich Übung darin. Ebenfalls Schritt für Schritt wurden die Diagnosen der bisherigen Reparaturversuche überprüft. Der Turbo war immer noch vollständig in Ordnung. Selbst ein weißes Tuch konnte keinen nennenswerten Ölauswurf am Turboausgang aufzeigen. Also weiter. Der Kopf wurde untersucht und zerlegt. Der Engineer in Nairobi hatte mir versichert, dass die Ventilführungen in Ordnung seien. Die erste Prüfung des Ventilspiels schien das zu bestätigen. Aber auf den zweiten Blick unterschied sich das Spiel in die andere Richtung doch erheblich. Die Ventilführung der Auslassventile waren wohl eher oval als rund. Bei genauer Betrachtung der Symptome schien dies die wahrscheinlichste Ursache zu sein. Schließlich war an den Luftauslässen des Zylinderkopfs noch Ölrinnsale zu erkennen. Sollte das Öl direkt in den Zylinder gelangen, würden die Verbrennungstemperaturen sicherlich keine Rinnsale mehr ermöglichen. Das Öl wäre verbrannt. Da die Ventilschafte der Auslassventile durch den Auslasskanal führen besteht eine direkte Öl-Laufbahn bei ausgeschlagenen Ventilführungen. Das würde alles erklären. Demnach war nun die Erkenntnis gewachsen, dass alle weiteren Probleme vermeidbar gewesen wären, hatte ich mich in Nairobi nicht auf den Engineer verlassen.Da die Kompression nach wie vor stimmte, keinerlei Spiel der Kolben in den Zylindern zu spüren war und außerdem auch kein Öl in den Zylindern selbst zu erkennen war, beschlossen wir, es bei der Erneuerung der Ventilführungen zu belassen. Das hieß glücklicherweise, keine Ersatzteile aus Deutschland importieren zu müssen. Nach Franks Erfahrung hätte das mind. 10 Tage und bis zu drei Monaten dauern können.

Am Mittag des zweiten Werkstatt-Tages ging es dann wieder zu einem Engineer, der die Ventilführungen erneuern sollte. Frank hatte eine Adresse, seiner Erfahrung nach die Beste in Dar. Als mich seine Fundis mit dem Zylinderkopf dort hinbrachten verschlug es mir die Sprache. Bislang hatte ich in Afrika ja auch schon mehr solcher „Präzisions-Werkstätten“ gesehen als mir lieb war, aber dieser Anblick erinnerte mich eher an eine Mad-Max-Kulisse. Ein Loch in der Wand führte in eine Reihe von kaum beleuchteten Arbeitsräumen. Der Fussboden, nur unter den Maschinen zementiert, war reiner Erdboden. Zwischen den riesigen historischen Dreh- und Schleifmaschinen türmten sich Berge von Motorteilen im Halbdunkel. Wir kletterten über einige Haufen von Motorblöcken, vorbei an Kurbelwellenbergen und Zylinderköpfen zum angeblichen Experten für Ventilführungen. Er fräßt Ventilführungen nach Gefühl. Mir wurde ganz anders. Aber welche Alternativen gab es. Dafür wurde mir versprochen, am nächsten Vormittag den Zylinderkopf wieder abholen zu können. Ok. Es folgten 24 Stunden des Bangen. Am nächsten Vormittag waren wir mit etwas verkehrsbedingter Verspätung wieder vor Ort. Gemeinsam wurde das Spiel der Ventile in den Führungen erneut geprüft. Ernüchternd. Die neuen Führungen waren zwar rund, aber dafür hatten sie in alle Richtungen viel zu viel Spiel. Nach einer halben Stunde Diskussion war klar, bis zum Nachmittag macht er es noch mal. Einigermaßen überrascht war ich als ich nachmittags dann tatsächlich neue Führungen prüfen konnte. Diesmal waren sie etwas zu eng, aber gut genug, um das letzte Detail selbst nacharbeiten zu können. Hätte mir vor der Reise jemand gesagt, ich würde auf der Reise selbst Hand an Ventilführungen legen, hätte ich es sicher nicht geglaubt…

Und so wurde am Freitagabend der Zylinderkopf wieder weitgehend zusammengebaut. Mit Frank hatte ich verabredet, dass er den Zusammenbau des Kopfes am Montag komplettiert und den Kopf schon aufsetzt. Dienstag würde ich dann aus Sansibar wieder dazu stoßen, um den Zusammenbau wieder selbst vorzunehmen. Mit dieser guten Gewissheit machte ich mich gemeinsam mit unseren Freunden und Familie auf nach Sansibar.

2 Comments

  1. Comment by kai:

    … trotz Deiner Schraubereien hatten wir viel Spaß !
    Gruß Kai

  2. Comment by Michael:

    Habe die nachricht von Wilderich in verschoben zum aktuellen Tagebucheintrag aus Malawi. Siehe:
    Festgesetzt in Lilongwe – Frust.

    Der Admin

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